Große Lücke mit viel Potenzial bei PAVK
MAINZ. Bei der Therapie der PAVK steht der Verzicht auf Tabak und auch Cannabis an erster Stelle. Eine PAVK gilt auch nicht mehr als Kontraindikation für eine Kompressionstherapie im Fall von Venenthrombosen oder venöser Insuffizienz – ebenso wenig wie eine diabetische Neuropathie.
Die Aorta hat es in den Status eines eigenständigen Organes geschafft“, berichtete Dr. Katja S. Mühlberg, Universität Leipzig, angesichts der „sehr lesenswerten“ Leitlinie der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Herzchirurgie.1 Für die Prognose abdomineller Aortenaneurysmen sei eine Diabeteserkrankung scheinbar von Vorteil: In einer aktuellen Metaanalyse mit mehr als 10.000 Personen habe sich gezeigt, dass der Prozess bei gleichzeitigem Vorliegen eines Diabetes langsamer voranschreitet – dies habe allerdings keinen Einfluss auf die Mortalitätsrate.
Einen Erklärungsansatz dafür könnte eine schwedische Kohortenstudie mit einem mittleren Follow-up über 3,2 Jahre liefern (n = 526). Darin wiesen mit Metformin behandelte Patient*innen die niedrigsten Aortenaneurysma-Wachstumsraten auf. Eine Subgruppenanalyse weise auf den günstigen Einfluss von Metformin auf Inflammationsmarker (Zytokine und Interleukine) hin. Diese Daten werfen Fragen nach weiteren protektiven Effekten von Metformin auf – auch für Menschen ohne Dia-betes. Ergebnisse großer prospektiver Studien dazu sind erst in den kommenden Jahren zu erwarten.
PAVK: Hochrisiko-Klientel mit einfachen Mitteln screenen
Bei der Therapie der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) klaffe immer noch eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis, die viel Potenzial biete. Ein Fünftel der Betroffenen erhielt vor einer Amputation keine Angiografie und ein Drittel keinen Revaskularisationsversuch. „Hier sind wir alle gefordert, aufmerksam zu sein“, mahnte Dr. Mühlberg.
In der neuen US-amerikanischen AHA/ACC-Leitlinie2 werde die PAVK in vier Kategorien eingeteilt: asymptomatisch, chronisch symptomatisch, chronisch die Extremitäten bedrohend (CLTI) und akute Beinischämie (ALI). Die neue deutsche S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Angiologie3 stimme mit dieser Einteilung fast vollständig überein, nur werde darin anstelle von „asymptomatischer“ von „maskierter“ PAVK gesprochen. Dr. Mühlberg empfahl den einfachen Ratschow-Test (Lagerungsprobe) zur Erkennung einer maskierten PAVK. Mit gezielten Fragen nach Ruheschmerz, Wunden und belastungsabhängigen Schmerzen könne man CLTI-Hochrisikopatienten ebenfalls sehr einfach erkennen.
Neben den kategoriespezifischen Therapien stehe für alle Betroffenen der Rauchverzicht an erster Stelle – dies gelte ganz besonders auch für Cannabis (siehe Kasten). Dazu stellte die Oberärztin eine RCT-Studie mit Vareniclin zur Rauchentwöhnung im zweiten Anlauf vor.4 Hier hatte sich Vareniclin gegenüber konventionellen Nikotinersatzpräparaten überlegen gezeigt.
Während bei chronisch symptomatischer PAVK perspektivisch „ganz vordergründig das Gehtraining empfohlen“ werde, eventuell unterstützt durch Cilostazol, betonte die Expertin für Patient*innen mit CLTI und ALI die Notwendigkeit einer zügigen Revaskularisation, „interventionell, chirurgisch oder im Hybridverfahren“. Fazit: „Das, was an Ihren Zentren verfügbar ist, soll den Patienten rasch angeboten werden.“
| Cannabis-Konsum erhöht das Risiko für Myokardinfarkt und Schlaganfall Einer US-amerikanischen Studie zufolge gaben in einer Umfrage unter 434.000 Befragten zwischen 18 und 74 Jahren 7,1 % an, Cannabis zu konsumieren, davon 4 % täglich.5 Adjustiert nach Tabakkonsum, Alter, Geschlecht, BMI, Diabetes, Sport und Bildung zeigte sich eine Risikoerhöhung um 25 % für Myokardinfarkt und um 42 % für Schlaganfall. Der riskante Effekt von Cannabis sei insbesondere für jüngere Personen feststellbar, weshalb sich Dr. Mühlberg explizit von einer auf YouTube abrufbaren relativierenden Aussage von Prof. Karl Lauterbach distanzierte („Kiffen ist weniger risikoreich als Rauchen“). Andererseits: „Rauchen und Kiffen haben auch Vorteile. Sie sichern uns den Job und die Rente“, sagte die Gefäßmedizinerin ironisch. |
Zur „Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie“ gibt es eine neue S2k-Leitlinie6, die nach Dr. Mühlbergs Ausführungen auf den drei Säulen Antikoagulation, Kompression und Risikomanagement/Rezidivprophylaxe fußt. Das Vorgehen nach der „Thromboseampel“ (Ausgangssituation betrachten und Risikofaktoren/Trigger für Thrombosen konsequent erheben) helfe zu entscheiden, wie lange eine Antikoagulation erforderlich ist.
Kompression: Kniestrümpfe reichen meistens aus
Zum Thema Kompression gilt: „Ein Kniestrumpf ist in nahezu allen Fällen ausreichend für die Kompression, egal wie groß die Thrombose ist.“ Ausnahmefälle bilden starke Oberschenkelschwellungen, z. B. bei einer Beckenvenenthrombose. Dia-betische Neuropathie und PAVK gelten nicht mehr als Kontraindikationen bei Kompression. Es gebe Spezialstrümpfe, die bei venöser Insuffizienz trotz PAVK verwendet werden können. „Die Beherrschung der peripheren Ödeme ist eher förderlich für die Mikrozirkulation und nicht schädlich.“
Bei definierter kritischer Ischämie dürfe weiterhin keine Kompression erfolgen. „Sobald ein Patient Schmerzen unter Kompressionen verspürt, muss der Strumpf ausgezogen werden und Sie müssen prüfen, woran es liegt und bestenfalls revaskularisieren“, resümierte Dr. Mühlberg.
Dr. Karin Kreuel
Diabetes Update 2025
Literatur
Czerny M et al. Ann Thorac Surg 2024; 118(1): 5-115; doi: 10.1016/j.athoracsur.2024.01.021
Gornik HL et al. Circulation 2024; 149(24): e1313-e1410;
doi: 10.1161/CIR.0000000000001251Deutsche Gesellschaft für Angiologie. https://register.awmf.org/assets/guidelines/065-003l_S3_Diagnostik-Therapie-Nachsorge-periphere-
arterielle-Verschlusskrankheit_2024-09.pdf
(Version 4.0 vom 18.09.2024)Cinciripini PM et al. JAMA 2024; 331(20):
1722-1731; doi: 10.1001/jama.2024.4183Jeffers Am et al. J Am Heart Assoc 2024; 13(5): e030178; doi: 10.1161/JAHA.123.030178
Linnemann B et al. Vasa 2023; 52(S111): 1-146; doi: 10.1055/a-2178-6574