Hyperglykämie begünstigt Antibiotikaresistenzen

Nach Insulingabe heilen Wunden bei diabetischen Labormäusen schneller

CHAPEL HILL.  Bei Menschen mit Diabetes kommt es häufiger zu schweren bakteriellen Haut- und Weichgewebeinfektionen als bei anderen. Denn die diabetische Stoffwechsellage bietet ein ideales Milieu für die Selektion antibiotikaresistenter Bakterienstämme, wie ein US-Forscherteam im Tierversuch zeigte.

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Hyperglykämie, Immunsuppression, Durchblutungsstörungen der Extremitäten, Myopathie und Neuropathie sind häufige Begleiterscheinungen des Diabetes. Zusammen erzeugen sie ein Stoffwechselmilieu, welches das Wachstum von Bakterien begünstigt. Entsprechend kommt es bei Menschen mit Diabetes tendenziell häufiger zu Wund- und Weichteilinfektionen, die zudem schwerer verlaufen und antibiotisch häufig kaum in den Griff zu bekommen sind.

Hauptverursacher ist Staphylococcus aureus, berichtet Dr. John Shook von der Abteilung für Mikrobiologie und Immunologie der Universität von North Carolina. Die Eradikation des Erregers wird zunehmend schwieriger, da der wiederholte Einsatz von Antibiotika die Resistenzentwicklung begünstigt. Welche Rolle der Diabetes diesbezüglich spielt, untersuchte der Forscher nun gemeinsam mit weiteren US-Wissenschaftler*innen.

Infektionsmikroumgebung begünstigt Erreger-Expansion
Die Forschenden fanden heraus, dass die diabetische Infektionsmikroumgebung unter Antibiotikadruck die Entwicklung einer Resistenz gegen das Reserveantibiotikum Rifampicin (siehe Kasten) sowie die rasche Expansion der resistenten Erregerpopulation begünstigt. Sie injizierten Mäusen subkutan Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Bei einem Teil der Versuchstiere hatten sie zuvor mithilfe von Streptozotocin einen Diabetes ausgelöst. Anschließend behandelten sie alle Tiere über mehrere Tage systemisch mit Rifampicin. Fünf Tage nach der Inokulation wiesen die diabetischen Mäuse im Vergleich zu den stoffwechselgesunden eine deutlich höhere Bakterienlast auf. Aus den Wunden der diabetischen Mäuse isolierten die Forschenden eine große Menge Rifampicin-resistenter S. aureus. In den Wunden der gesunden Mäuse fanden sie dagegen keine Rifampicin-resistenten Keime. 

In einem weiteren Versuch demonstrierten John Shook und Kolleg*innen, dass die diabetische Immunsuppression nur eine untergeordnete Rolle hinsichtlich der Selektion Rifampicin-resistenter S. aureus spielt. Hierzu simulierten sie bei normoglykämen Mäusen mithilfe des Immunsuppressivums Rapamycin die für den Diabetes typische Immunsuppression. Die diabetesassoziierte Immunzell-Dysfunktion trug zwar in begrenztem Ausmaß zum Auftreten einer Rifampicinresistenz bei, war allerdings nicht der Grund für die rasche Expansion resistenter Mutanten bei diabetischen Infektionen.

Weiterhin konnten die Forschenden im Tierversuch zeigen, dass eine diabetische Stoffwechsellage Exazerbationen von Infektionen mit Vancomycin-intermediär resistenten S. aureus (VISA) begünstigt. Das Reserveantibiotikum Vancomycin kommt bei MRSA zum Einsatz. Die Infektionsmikroumgebung erhöht das Virulenzpotenzial von VISA und fördert ihre Proliferation. VISA-Stämme entwickeln sich aus Vancomycin-sensiblen Stämmen: Unter der Vancomycin-Therapie treten die Zellwandsynthese verändernde Mutationen auf. VISA-Isolate sind deshalb insgesamt weniger virulent und vermehren sich langsamer als Vancomycin-sensible S. aureus. 

Antibiotikum Rifampicin als stille Reserve
Das Reserveantibiotikum Rifampicin hemmt die bakterielle DNA-abhängige RNA-Polymerase und wird vor allem zur Behandlung von Tuberkulose und Lepra eingesetzt. Es wird nicht für den breiten klinischen Einsatz empfohlen, eignet sich aber gut für Studien zum Resistenzverhalten von Bakterienstämmen.

Nun prüften die Forschenden, ob solche Stämme bei Diabetes invasive Infektionen verursachen können. Das Ergebnis: Bei nicht-diabetischen Mäusen beobachteten sie ein deutlich langsameres VISA-Wachstum als bei diabetischen Tieren. Bei den diabetischen Mäusen verursachte der VISA-Stamm zudem signifikant ausgedehntere Läsionen als bei den stoffwechselgesunden. 

Abschließend berichtet die Arbeitsgruppe um Dr. Shook: Insulin verhindert die Selektion Refampicin-resistenter S. aureus. Im Tierversuch konnte sie zeigen, dass die Insulintherapie bei Diabetes-Mäusen das Auftreten Rifampicin-resistenter S. aureus reduzierte – und zwar ungeachtet der Tatsache, dass durch die Behandlung keine vollständige Blutzuckerkontrolle gelang.

Dr. Judith Lorenz

Shook J et al. Sci Adv 2025; 11(7): eads1591; doi: 10.1126/sciadv.ads1591