„Vom Kopf auf die Füße stellen“

Parlamentarischer Abend mit intensiven Debatten und klaren Positionen

BERLIN.  Mitten in der Hauptstadt, mitten im Monat der Regierungsbildung. In eine bessere zeitliche und inhaltliche Nähe hätte man einen Parlamentarischen Abend mit dem Motto „Demokratie stärken – Menschen mit Diabetes beteiligen“ kaum legen können. Das Polit-Event, bei dem Bundestagsabgeordnete Rede und Antwort standen, hat diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe veranstaltet.

Foto: Dirk Michael Deckbar

Es gibt kein Problem, das wir nicht lösen können“, hatte wenige Stunden zuvor der frisch gekürte Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner ersten Regierungsansprache im Bundestag versprochen. Berlin kochte in diesen Tagen vor politischer Präsenz. Die neue Bundesregierung unter Kanzler Merz wurde gebildet, Union und SPD unterzeichneten den Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“.

Einen Tag später trat das Kabinett offiziell an und Nina Warken (CDU) wurde Bundesgesundheitsministerin. Weil diese gesundheitspolitisch „noch nicht so intensiv unterwegs war“, wolle man der Juristin das Thema Diabetes schnellstmöglich nahebringen, erklärte Dietrich Monstadt (MdB a. D., CDU), Schirmherr der Veranstaltung und Initiator der Nationalen Diabetes-Strategie.  

Prävention: Parteien sollten mutiger werden
Auf die Prävention fokussierte Dr. Jens Kröger, Vorsitzender von diabetesDE. Konkrete Vorschläge „für eine qualitätsgerechte individualisierte Versorgung durch langfristig angelegte verhältnispräventive Maßnahmen“ fehlten im Koalitionsvertrag. „Das ist angesichts der Tatsache, dass jede Minute eine Neuerkrankung hinzukommt, ein Armutszeugnis.“ Durch die hohe Zahl an Diabetespatient*innen würden jährlich Gesundheitskosten von 30 Milliarden Euro produziert, 10 % der gesamten Gesundheitskosten. Er setzt auf ressortübergreifende Strategien: Health in all Policies, um frühestmöglich mit Prävention die hohe Erkrankungsrate einzudämmen.

Warum wurde im aktuellen Koalitionsvertrag – entgegen den Papieren beider Vorgängerregierungen – Diabetes nicht mit einem Wort erwähnt? Dies und mehr wurde heiß diskutiert, erst bei einem „Bürger-Politiker-Battle“, später in einer Podiumsdiskussionsrunde, aus der vor allem Menschen mit Diabetes als Gewinner*innen hervorgingen.

Einig waren sich alle in der Forderung nach mehr Prävention von MdB Linda Heitmann (Grüne). Die Regulierung von Werbung für zuckerhaltige Lebensmittel, die Zuckersteuer oder auch höhere Steuern auf Tabak und Alkohol seien klassische verhältnispräventive Maßnahmen, die „immer den Touch des Verbietens und Regulierens“ mitbrächten, wovor Politiker*innen „häufig Angst“ hätten. Sie wünscht sich, „dass alle politischen Parteien da etwas mutiger werden und sich trauen, mehr zu regulieren im Sinne der Verhältnisprävention.“

Als neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion kam Simone Borchardt zu Wort, die forderte: „Die momentanen 600 Millionen Euro an Präventionsgeldern bei den Krankenkassen sind nicht richtig angelegt, sie erreichen die Falschen. Das Geld müsste vielmehr in die Kommunen gehen. Und überhaupt sollten wir das derzeitige Gesundheitssystem vom Kopf auf die Füße stellen, unser System ist geprägt von Krankheitserhaltung und nicht von Gesundheitsförderung.“  

Dr. Tobias Wiesner, Vorstandsmitglied DDG, kritisierte, dass die Krankenhausreform das Potenzial habe, stationäre diabetologische Kompetenzen verschwinden zu lassen, das GVSG wiederum berge ein hohes Risiko für den Fortbestand der DSP. Sowohl diabetologische stationäre Zentren als auch die Schwerpunktpraxen bräuchten die Sicherheit des Status quo. MdB Serdar Yüksel (SPD) stellte noch klar, dass „Diabetes in vielen Facetten“ daherkäme. „Da muss man sich den Einzelfall anschauen und nicht nur zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes unterscheiden.“ 

Angela Monecke

Wissenschaftlicher Partner: DDG; Unterstützung: Abbott, IKK Classic, Lilly und Medtronic.