Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Übergewicht – es sind sehr unspezifische, auch in anderem Zusammenhang keineswegs seltene Symptome, mit denen sich eine Schilddrüsenunterfunktion bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar macht. Ärzte sehen sich daher häufig veranlasst, die Schilddrüsenwerte ihrer jungen Patienten zu überprüfen. „Aus Sorge um die Entwicklung der Kinder sind diese Tests auch gerechtfertigt“, sagt Professor Dr. med. Heiko Krude, Direktor des Instituts für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie an der Charité–Universitätsmedizin Berlin. Denn für Kinder und Jugendliche stellt eine Schilddrüsenunterfunktion eine ernsthafte Gefahr dar: Tritt die Hormonstörung bereits im Kindesalter auf, können sich die geistige und sprachliche Entwicklung sowie das körperliche Wachstum verzögern. Bei einer Erkrankung im Jugendalter entwickeln sich oft Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen.
Als wichtigster Blutwert zur Bestimmung einer Schilddrüsenunterfunktion gilt der so genannte TSH-Wert. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon oder Thyreotropin. „Dieses Hormon regt in der Schilddrüse die Bildung von LT4 und LT3 an“, erläutert Professor Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE. Nur wenn die Schilddrüse diese wichtigen Hormone in ausreichender Menge produziert, werde die TSH-Produktion über einen Rückkopplungsmechanismus gedrosselt. Arbeitet die Schilddrüse jedoch nicht richtig und stellt zu wenig LT4 und LT3 her, versuche der Körper, über eine zunehmende TSH-Produktion gegenzusteuern.
Dennoch weist nicht jeder erhöhte TSH-Wert auf eine echte Schilddrüsenunterfunktion hin. Das TSH wirkt auf die Schilddrüse mit dem Ziel, die Bildung von T4 und T3 zu stimulieren. Häufig liegen die eigentlich krankheitsrelevanten Werte für LT4 und LT3 oft im Referenzbereich – trotz auffälligem TSH. Eine Hormonbehandlung ist dann unnötig. „Dennoch wird meist allein aufgrund des erhöhten TSH-Wertes eine Therapie mit LT4 eingeleitet“, kritisiert Krude.
Für die jungen Patienten sei dies in mehrfacher Hinsicht schädlich. Zum einen müssten sie die tägliche Einnahme von Tabletten in ihren Tagesablauf einplanen, zum zweiten werde das Gesundheitsbewusstsein der Jugendlichen gestört. In einer ohnehin schwierigen Phase der Selbstwahrnehmung empfänden sie sich als krank, obwohl es dafür keinen Grund gebe. Nicht zuletzt bestehe auch das Risiko, durch die Hormongaben eine Schilddrüsenüberfunktion herbeizuführen.
Krude plädiert daher dafür, einen leicht erhöhten TSH-Wert nach drei Monaten, einen deutlich erhöhten Wert nach sechs Wochen erneut zu kontrollieren – zunächst ohne eine Behandlung einzuleiten. Steigen die Werte in dieser Zeit nicht weiter an, empfiehlt der erfahrene Pädiater lediglich eine weitere Kontrolle. „Große Studien zeigen jedoch, dass der TSH-Wert in der Zwischenzeit meist spontan wieder im Referenzbereich liegt“, beruhigt er.