Mit Ernährung gegen Diabetes
Eine Veränderung des Lebensstils mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung kann einem Diabetes Typ 2 vorbeugen oder ihn sogar zurückdrängen. Doch gerade bezüglich Ernährung sind sich viele der rund sieben Millionen Menschen mit Diabetes in Deutschland unsicher: Welche Ernährungsmaßnahmen sind empfehlenswert? Auf einer Online-Pressekonferenz am 4. November anlässlich der DDG Herbsttagung berichtet Ernährungsmedizinerin Professor Dr. med. Diana Rubin aus Berlin, welche Ernährungsformen Erfolg versprechen und warum eine Verzahnung von individuellen und gesellschaftlichen Präventionsmaßnahmen entscheidend im Kampf gegen die Diabetes-Pandemie ist. Darüber hinaus wird die neue Nationale Versorgungs-Leitlinie zu Diabetes Typ 2 vorgestellt sowie über aktuelle Erkenntnisse zu Diabetes und Covid-19 gesprochen. Anmeldung unter: attendee.gotowebinar.com/register/5345795157631401228
Die Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) findet vom 6. bis 8. November 2020 online statt.
Das Risiko für einen Typ-2-Diabetes wächst um etwa 20 Prozent je 1 kg/m² höherem BMI. „Eine konsequente Lebensstilumstellung mit dem Ziel der Körpergewichtsreduktion ist für Menschen mit Übergewicht daher unerlässlich“, erklärt Professor Dr. med. Diana Rubin, Chefärztin und Leiterin des Zentrums für Ernährungsmedizin am Vivantes Klinikum Spandau und Humboldt-Klinikum Berlin. Nur so könne einem Diabetes vorgebeugt oder dieser effektiv therapiert werden. „Doch eine Veränderung des Lebensstils gelingt leider erstaunlich wenigen Patientinnen und Patienten“, so die Ernährungsmedizinerin.
Langzeitdaten belegen, dass nur maximal 10 bis 15 Prozent aller Patienten dauerhaft eine Lebensstiländerung durchhalten. Als Grund hierfür nennt Rubin Diäten, die der Patient für sich nicht annimmt, aber auch äußere Einflüsse, wie gesellschaftliche Lebensbedingungen. „Präventive Maßnahmen müssen immer in zwei Dimensionen betrachtet werden: Verhaltensprävention und Verhältnisprävention. Nur eine Kombination beider Maßnahmen kann die weltweite Diabetes-Pandemie aufhalten“, konstatiert Rubin.
Eine Verhaltensprävention nimmt Einfluss auf das individuelle Gesundheitsverhalten. Jeder Einzelne muss durch eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung etwas für seine Gesundheit tun. „Eine kürzlich veröffentlichte Studie zu Ernährungsformen zeigte, dass bei einem Diabetes Typ 2 zwei Diätmodelle gute Wirkung erzielen: Low-Carb und traditionell-mediterrane Diät“. Die Expertin begrüßt, dass die Fachgesellschaften das Low-Fat-Dogma 2018 verlassen haben. „Die Präventionsstudien der letzten Dekaden haben ausnahmslos eine kohlenhydratreiche Ernährung mit weniger als 30 Energieprozent Fett genutzt. Doch diese Annahme ist überholt: „Gesättigte Fette sind nach gegenwärtiger Datenlage nicht einmal epidemiologisch mit dem Diabetesrisiko assoziiert“, führt Rubin aus. Bei neuen Diätmodellen müsse zudem auch immer die Compliance der Betroffenen mitberücksichtigt werden: „Was gut ist, muss nicht jedem gut schmecken“, betont Rubin. So kommt die mediterrane Diät bei Nordeuropäern häufig nicht gut an. Hier gelte es, die Gerichte und Inhaltsstoffe regionaltypisch abzuwandeln – beispielsweise statt Olivenöl, Rapsöl. Auch haben Fleischesser wenig Interesse daran, plötzlich vegetarisch zu leben. „Dem müssen wir Rechnung tragen und den Speiseplan für alle Zielgruppen entsprechend attraktiv gestalten“, so Rubin.
Bislang fehlen noch eindeutige und randomisiert-kontrollierte Studien zur optimalen „Diabetes-Diät“, doch eines scheint klar: „Neben dem reinen Kaloriengehalt entstehen die protektiven Effekte vor allem über die einzelnen Lebensmittelinhaltstoffe. Beispielsweise ist die Qualität der Kohlenhydrate und Fette entscheidend“, sagt Rubin. An dieser Stelle setzt die Verhältnisprävention an, die als zweiter Baustein in der Diabetesprävention ausschlaggebend ist. „Wir müssen Gesundheitsprävention auch gesamtgesellschaftlich angehen“, erklärt Rubin. Die Lebensmittelindustrie sei gefragt, wenn es um qualitativ hochwertige und gesunde Inhaltsstoffe ihrer Produkte geht. Dies sei nur über eine verpflichtende und eindeutige Kennzeichnung kritischer Nährstoffe, eine verpflichtende Reformulierung kritischer Lebensmittel bis hin zu Werbeverboten zu erreichen.
Auf der Online-Pressekonferenz anlässlich der Diabetes Herbsttagung am 4. November erklärt Rubin, welche gesundheitspolitischen Maßnahmen individuelle Lebensstiländerungen flankieren müssen, um die rapide steigenden Diabetes-Fallzahlen in Deutschland zu senken. Zudem berichtet sie darüber, welche spezifischen Lebensmittelgruppen oder Nahrungskomponenten den Zuckerstoffwechsel positiv und negativ beeinflussen und über die neueste Diät-Forschung. Ein weiteres Thema sind die neuen Praxisempfehlungen zur Ernährung für Menschen mit Typ-1 Diabetes, die erstmals seit 2005 grundlegend aktualisiert wurden.