Stress für Körper und Seele
Berlin. Das Stresshormon Kortisol beeinflusst sowohl den Verlauf von COVID-19 als auch die Blutzuckereinstellung. In Zeiten erhöhter Belastung durch Corona gilt es, negative wie positive Auswirkungen beim Therapiemanagement im Blick zu haben.
Durch die SARS-CoV-2-Pandemie steigen laut UN weltweit die psychischen Strapazen dramatisch an. „Zusätzlich zu den alltäglichen Belastungen, die jeden während der Coronapandemie getroffen haben und derzeit immer noch beschäftigen, sind chronisch Erkrankte weiteren Stressfaktoren ausgesetzt: Sie sorgen sich in besonderer Weise um ihre Gesundheit, da sie häufig als Risikopatienten gelten“, gab Professor Dr. Matthias M. Weber, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zu bedenken.
„Auch mentaler Stress hat einen großen Einfluss auf Hormon- und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Daher geraten Betroffene schnell in einen Teufelskreis aus Angst, Stress und schlechter Stoffwechsellage, was zu besonderen gesundheitlichen Herausforderungen führt“, so der Experte weiter.
Hintergrund ist die Wirkweise des Stresshormons. „Da ein erhöhter Kortisolspiegel auch den Blutzucker ansteigen lässt, beeinflusst Stress auch die Stoffwechsellage von Menschen mit Diabetes und kann so möglicherweise auch zu einer erhöhten Infektanfälligkeit und einem schweren Krankheitsverlauf bei COVID-19 beitragen“, erklärte Prof. Weber.
Kortisol könnte auch aus einem weiteren Grund eine Schlüsselrolle im Verlauf der Infektion mit SARS-CoV-2 spielen, so das Ergebnis einer britischen Kohortenstudie mit insgesamt 535 Teilnehmern.1
Hormonlevel könnte helfen den Verlauf vorherzusagen
Die 403 Patienten mit positivem SARS-CoV-2-Testergebnis oder klinischem bzw. radiologischem Verdacht auf COVID-19 wiesen deutlich erhöhte Konzentrationen des Stresshormons auf. Als Vergleich dienten Patienten mit anderen Infektionskrankheiten. Es zeigte sich, dass Patienten mit höheren Kortisolspiegeln eine schlechtere Prognose hatten. „Die Studie stellt auch einen möglichen Zusammenhang zwischen erhöhten Hormonkonzentrationen und Sterblichkeit auf“, so der Referent. „Kortisol könnte also als Biomarker für die Infektionsschwere fungieren.“ Hierzu sind jedoch weitere Studien nötig.
Auf der anderen Seite steht der Vorabbericht einer weiteren Studie, bei der die Behandlung mit Dexamethason bei schwer an COVID-19 Erkrankten zu einem besseren Überleben und einem kürzeren Verlauf der Erkrankung geführt hat. Ob sich die Substanz deshalb als Coronamedikament eignet, bleibt jedoch abzuwarten. „Das ist noch keine endgültige Publikation“, mahnte Prof. Weber. Was voreilige Schlüsse bezüglich potenzieller Medikamente bedeuten, habe das Beispiel Hydroxychloroquin deutlich gemacht.
Noch ist es zu früh für Therapieempfehlungen
WHO und Endokrinologen warnen daher vor einem routinemäßigen Dexamethasoneinsatz außerhalb klinischer Studien, da je nach Stadium der Infektion die Gabe auch negative Effekten haben könnte. „Hier besteht noch viel Forschungsbedarf“, so der Experte.
Klar scheint: Sowohl zu viel als auch zu wenig Kortisol kann in Coronazeiten gefährlich werden.
Dr. Susanne Gallus
Online-Pressekonferenz DDG/DGE
1. Tan T et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; doi: 10.1016/ S2213-8587(20)30216-3