Digitalisierungsgesetz auf Achterbahnfahrt

Gesundheitsministerium muss bei der elektronischen Patientenakte nachbessern

Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn hat das E-Health-Gesetz II durchs Kabinett gepeitscht, das gesamte Thema elektronische Patientenakte muss er aber wegen Datenschutzbedenken in ein neues Gesetz packen.

Zu Recht geißelt Spahn die unerträgliche Verschleppung der Digitalisierung unseres Gesundheitswesens durch die Selbstverwaltung von Kassen, Ärzten und Krankenhäusern. Deshalb strukturierte er die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH, kurz Gematik, um und ordnete die Gesellschafterverhältnisse neu zugunsten des Bundesgesundheitsministeriums: 51 % BMG-Mehrheit zu 49 % Selbstverwaltung. Zum 1. Juli wurde Dr. med. Markus Leyck Dieken als neuer Geschäftsführer berufen, ein erfahrener Pharmamanager, der weiß, wie man verkrustete Firmen erfolgreich umstrukturiert.

Gute Voraussetzungen also, um die Ziele, flächendeckend eine elektronische Patientenakte (ePA) zu implementieren und damit endlich auch hierzulande sektorenübergreifend und interoperabel Gesundheitsversorgung betreiben zu können, ab dem 1. Januar 2021 realisieren zu können.

DDG begrüßt grundsätzlich das Digitale-Versorgung-Gesetz
Dazu braucht die Regierung aber auch ein Gesetz, das E-Health-Gesetz II oder – wie es jetzt genannt wird – das Digitale-Versorgung- Gesetz (DVG).

Der DVG-Referentenentwurf wurde im Juni schriftlich von der Deutschen Diabetes Gesellschaft kommentiert (siehe DDG-Homepage). Diese Kommentare konnten auch bei der Anhörung zum Gesetz am 17. Juni 2019 persönlich gegenüber Dr. Gottfried Ludewig, dem Abteilungsleiter Digitalisierung im BMG, geäußert werden.

Die DDG begrüßt grundsätzlich dieses neue Gesetz, denn es legt in Teilen fest, wie die Leistungserbringer, die sich jahrelang wechselseitig blockiert haben, nun die digitale Transformation umzusetzen haben. Umso überraschender kam am 4. Juli die Nachricht, dass nun ein neuer Gesetzentwurf vorliegt, aus dem alle Bestimmungen zur elektronischen Patientenakte wieder gestrichen waren.

Was war passiert? Aufgrund datenschutzrechtlicher Einwände des Bundesjustizministeriums wurde das Gesetz noch einmal hastig überarbeitet. Die Passagen zur ePA sollen nun in einem eigenen umfassenden Datenschutzgesetz kurz nach der Sommerpause erneut vorgelegt werden.Am 10. Juli brachte Minister Spahn das abgespeckte DVG durch das Bundeskabinett, im September werden sich Bundestag und Bundesrat damit befassen.

Versicherte erhalten Anspruch auf Gesundheits-Apps
Um was geht es genau? Es geht um Maßnahmen, die den Zugang digitaler Innovationen in die Regelversorgung erleichtern. Telemedizinische Versorgungsangebote sollen forciert (und auch besser vergütet) werden, innovative Versorgungsansätze werden durch eine Verlängerung des Innovationsfonds bis ins Jahr 2024 unterstützt. Vor allem: Versicherte erhalten einen Anspruch auf digitale Gesundheitsanwendungen, also Gesundheits-Apps.

Keine klaren Regeln zur Interoperabilität
Bei der Anhörung zum Gesetz am 17. Juni waren allerdings noch die Paragrafen zur ePA im Entwurf. Bei aller Zustimmung zu den neuen Ansätzen hat die DDG kritisiert, dass eindeutige Regeln zur Herstellung einer umfassenden Interoperabilität, also der Fähigkeit unterschiedlicher Systeme wie Praxisverwaltungsund Krankenhausinformationssysteme oder Diabetes-Management- Software zur möglichst nahtlosen Zusammenarbeit, nicht getroffen worden sind.

Einen umständlichen „Benehmensprozess“, den ausgerechnet die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit Hausärzteverband, Spitzenverband Fachärzte und der AWMF (AG der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften) zur Interoperabilität veranstalten soll, hält die DDG primär nicht für zielführend, weil diese Organisationen nicht die Interessen der Diabetologen vertreten. Hier muss ggf. eine Verfahrensregelung her, denn die DDG will selbst für die Inhalte eingebunden werden.

Auch unpräzise Formulierungen zum Datenschutz kritisierte die DDG. Bemerkenswert deshalb die neue Wendung: Alles was zum Komplex ePA gehört, einschließlich Interoperabilität und Datenschutz, kommt in ein neues Datenschutzgesetz, bei dem sich hoffentlich nicht die Bremser mit ihrem überkommenen Datenschutzverständnis aus dem letzten Jahrhundert durchsetzen.

Die ePA nicht durch überhöhten Datenschutz lahmlegen
Tino Sorge, Berichterstatter Digitalisierung der CDU/CSU-Fraktion und der Diabetologie gegenüber sehr aufgeschlossen, mahnte dringend die Erkenntnis an, dass Gesundheitsdaten für Versorgung und medizinischen Fortschritt von erheblichem Wert sind. Die ePA sei ein Leuchtturmprojekt, das nicht durch gut gemeinten, aber zum Nachteil der Patienten überhöhten Datenschutz ausgebremst werden darf.

Das DVG befindet sich also auf einer rasanten Achterbahnfahrt. Auch im Hinblick auf das DDG-Projekt der elektronischen Diabetesakte (eDA) ist zu hoffen, dass die Politik hier nicht aus der Kurve fliegt.

Manuel Ickrath für die Kommission Digitalisierung der DDG