Insulinbedürfnisse im Krankenhaus ändern sich rasch

AID-Systeme verhelfen Menschen mit Diabetes beim Klinikaufenthalt zu einer stabileren Einstellung

BERLIN. Die Behandlung von Diabetespatient*innen im Krankenhaus ist aufwendig. Der Einsatz von AID-Systemen in der Klinik erweist sich als vielversprechend.

Closed Loop im OP? Vom stationären Einsatz der AID-Systeme profitieren alle, vor allem die Patient*innen durch ein besseres Outcome.
Paylessimages – stock.adobe.com

Diabetes-Management ist sehr anspruchsvoll im stationären Setting, weil sich die Insulinbedürfnisse rasch ändern, von Tag zu Tag“, sagte Prof. Dr. Lia Bally vom Inselspital Bern, Universitätsklinikum Bern. Fast jede/jeder fünfte Patient*in im Krankenhaus sei von Diabetes betroffen. Die „Therapie der Wahl“: Insulin, da es „am schnellsten einen entgleisten Blutzucker wieder in den Zielbereich bringt“, erklärte sie. Dennoch: „Insulin ist ein Hochrisikomedikament“, die Therapie ein „sehr schmaler Grat“ und eben zeitintensiv. 

Bis 2030 fehlen in der Schweiz 20.000 Pflegekräfte
Hier kommt ein weiteres akutes Problem hinzu, mit dem auch unsere Schweizer Nachbarn zu kämpfen haben: der Pflegekräftemangel. Bis 2030 fehlen dort 20.000 Pflegekräfte. AID-Systeme in der stationären Versorgung sollten deshalb möglichst ohne weiteren Input, also vollautomatisch, funktionieren, weil sie sonst ähnlich zeitaufwendig seien wie eine konventionelle Spritzentherapie, erklärte die Diabetologin.

Dass auch Nierenkranke mit Typ-2-Diabetes von Closed-Loop-Systemen profitieren, hat eine Forschungsgruppe rund um Prof. Dr. Bally mit dem Partnercenter des Addenbrooke’s Hospital in Cambridge/UK untersucht.1 Mit dem  System gelang es, die Werte im Zielbereich in 53 % der Zeit gegenüber 38 % mit einer herkömmlichen Insulintherapie zu halten und das Hypoglykämierisiko zu senken. Ähnlich gute Ergebnisse gibt es für die künstlichen Ernährung. 

Closed Loop – hilfreich bei planbaren Operationen
Eine weitere aktuelle Studie bei 45 Personen mit Typ-2-Diabetes untersuchte das perioperative Management des Glukosespiegels. Genauer, ob ein AID-System die glykämische Kontrolle im Vergleich zur Standard-Insulintherapie bei insulinpflichtigen Menschen mit Diabetes verbessern würde, die eine planbare OP vor sich haben.2 Auch hier erhöhte das Closed-Loop-System die Zeit im Zielbereich: Die mittlere Time in Range lag in der Closed-Loop-Gruppe bei 76,7 ± 10,1 % und bei 54,7 ± 20,8 % in der Kontrollgruppe, ohne das Hypoglykämierisiko zu steigern. 

Die postoperative Vorbereitung bedeute viel Stress für die Patient*innen, aber auch für die Teams auf den Intensiv- und Normalstationen. Durch Schnittstellenprobleme sei die „Gefahr für gefährliche Entgleisungen“ groß, konstatierte Prof. Bally. 

Vollautomatisierte AID-Systeme wirkten hier für alle Beteiligten entlastend, zumal durch die neuen Technologien weniger postoperative Komplikationen auftreten. Viele Fragen zur klinischen Anwendung blieben aber noch offen, wie die Useability der Systeme und die Technologieakzeptanz seitens des Pflegepersonals.

Angela Monecke

diatec 2023 

Literatur:

1. Boughton C.K. et al. Nat Med. 2021 Aug; 27(8):1471-1476. doi: 10.1038/s41591-021-01453-z

2. Herzig D et al. Diabetes Care. 2022 Sep 1;45(9): 2076-2083. doi: 10.2337/dc22-0438