Was bringt die Grippe­impfung bei Diabetes?

Registerstudie zeigt kardiovaskulären Benefit

Hellerup. Eine Influenzainfektion kann das Risiko für akute atherosklerotische Ereignisse wie einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall erhöhen. Menschen mit Diabetes scheinen jedoch vom schützenden Effekt einer Grippeimpfung zu profitieren.

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Diabetespatienten haben ein erhöhtes Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sterben überproportional häufiger als Stoffwechsel-gesunde an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, Zudem sind sie anfälliger für Infektionen wie die Influenza – eine unter Umständen tödliche Kombination. Forscher um Daniel Modin von der Universität Kopenhagen untersuchten daher, ob Menschen mit Diabetes unter kardiovaskulären Gesichtspunkten von einer Grippe­impfung profitieren.

Wie entwickelt sich Mortalität mit und ohne Grippeimpfung?
Hierfür werteten sie mithilfe verschiedener dänischer Register die Daten von 241 551 Menschen mit Diabetes aus, die in den vorausgegangenen sechs Monaten blutzuckersenkende Medikamente erhalten hatten. Der Studienzeitraum umfasste neun aufeinanderfolgende Influenzasaisons (jeweils 1. Dezember bis 1. April des Folgejahres) zwischen 2007 und 2016. Patienten mit schweren Vorerkrankungen (isch­ämische Herzerkrankung, Herzinsuffizienz, chronisch ob­struktive Lungenerkrankung, maligne Erkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen) schlossen die Forscher aus. Sie prüften, wie viele Diabetespatienten innerhalb von vier Monaten vor Beginn der jeweiligen Influenzasaison eine Grippeimpfung erhalten hatten. Anschließend untersuchten sie, wie viele Patienten während der folgenden Influenzasaison insgesamt verstarben und schlüsselten die Todesfälle nach Ursachen wie kardiovaskulärer Erkrankung, Myokardinfarkt oder Schlaganfall auf. Weitere Endpunkte waren stationär behandlungsbedürftige Diabeteskomplikationen (Ketoazidose, Hypoglykämie, Koma) sowie die Hospitalisation infolge von Influenza oder Pneumonie.

Die Studienteilnehmer wurden im Median über vier Influenzasaisons beobachtet. Sie waren im Schnitt 59 Jahre alt, wobei die Impferfahrenen signifikant älter waren als jene, die zuvor noch nie geimpft worden waren (64 vs. 52 Jahre). Insgesamt flossen mehr als 425 000 Personenjahre in die Analyse ein. In den verschiedenen Influenzasaisons variierte die Impfquote zwischen 24 und 36 %. Während der Nachbeobachtungszeit starben 3,4 % der Patienten aufgrund jeglicher Ursache, 1,7 % verstarben wegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, 0,6 % verstarben infolge eines akuten Myokardinfarkts oder Schlaganfalls. Ferner wurden 2,4 % der Patienten aufgrund einer Diabeteskomplikation und 3,2 % aufgrund einer Influenza oder Pneumonie stationär behandelt. Nach Herausrechnen verschiedener potenzieller Störvariablen zeigte sich: In der Gruppe, die gegen Influenza geimpft war, sanken sowohl die Gesamtmortalität (-17 %) als auch die kardiovaskuläre Mortalität (-16 %) und das Risiko, an einem Myokardinfarkt oder Schlaganfall zu sterben (-15 %). Bei ihnen traten auch 11 % weniger stationär behandlungsbedürftige Dia­beteskomplikationen auf. Zudem mussten auch weniger von ihnen aufgrund einer Influenzainfektion bzw. Pneumonie im Krankenhaus aufgenommen werden (-6 %).

Die Ergebnisse lassen laut den Autoren darauf schließen, dass Menschen mit Dia­betes insbesondere mit Blick auf das kardiovaskuläre Outcome klar von einer Grippeimpfung profitieren.

Dr. Judith Lorenz

Modin D et al. Diabetes Care 2020; 43: 2226-2233; doi: 10.2337/dc20-0229