Der Geißel Diabetes entgegentreten
Hannover. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Anwendung von stammzellabgeleiteten Betazellen in der Diabetologie hat die DDG PD Dr. rer. nat. Naujok mit dem Ferdinand-Bertram-Preis ausgezeichnet. Dr. Naujok sieht darin einen Ansporn, seine Forschungsbemühungen zu intensivieren.
Als Ortwin Naujok im Mai 2002 seinen Abschluss als Diplom-Biologe in der Tasche hatte, war er auf der Suche nach einem interessanten Thema für eine Dissertation. Am Institut für Klinische Biochemie an der MH Hannover, wo er als wissenschaftlicher Angestellter tätig war, wurde er schließlich fündig.
Und so forschte Naujok unter Anleitung von Professor Dr. med. Sigurd Lenzen ab Juli 2004 zu der Frage, wie sich embryonale Stammzellen von Mäusen differenzieren lassen, um daraus verlässlich insulinproduzierende Betazellen zu generieren. Ziel seiner wissenschaftlichen Arbeit war es, Strategien für einen therapeutischen Ansatz zu entwickeln, mit deren Hilfe eines Tages schwer erkrankten Typ-1-Diabetespatient*innen geholfen und vor allem die Transplantation von humanen Spenderpankreata oder isolierten Pankreasinseln erspart werden kann. Ein weiterer Grund für seine Forschung: Spenderorgane sind äußerst rar.
„Das Thema hat mich von Anfang an fasziniert, da pluripotente Stammzellen ein ungeheuer großes Potenzial bieten, um aus ihnen Zellen zur Reparatur geschädigter oder erkrankter Organe zu entwickeln“, so Dr. Naujok. Stammzellabgeleitete Betazellen stellten somit eine hervorragende Ergänzung zu den bisherigen Zellkultur-/Tiermodellen dar.
Ein Ziel: die größere Verbreitung von Betazellsurrogaten
Seitdem lässt Dr. Naujok das Thema nicht mehr los. Er setzt sich konsequent dafür ein, dass aus humanen Stammzellen hergestellte funktionelle Betazellsurrogate eine größere Verbreitung finden, da primäre humane Inseln für die Forschung kaum verfügbar seien. Seine Hoffnung ist, dass sich eines Tages Krankheiten wie Diabetes mithilfe stammzellabgeleiteter Betazellen vollständig heilen lassen.
In den USA seien erste Ideen bereits in klinischen Testphasen angekommen. Doch auch wenn die ethischen Grenzen in Europa deutlich strenger gezogen sind, ist Dr. Naujok dem Forschungsstandort Deutschland bislang treu geblieben. 2008 übernahm er die Leitung der Arbeitsgruppe Stammzellen am Hannoveraner Institut für Klinische Biochemie. 2014 erfolgte seine Habilitation zum Privatdozenten im Fach Biochemie an der MHH.
Ein Fokus seiner aktuellen Forschung liegt auf den nicht-codierenden Mikro-Ribonukleinsäuren (Mikro-RNA). „Mikro-RNA erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der Steuerung grundlegender biologischer Prozesse wie der Entwicklung, der Zelldifferenzierung, der Proliferation und der Apoptose“, so Dr. Naujok. „Die Wirkungsweisen von Mikro-RNA bieten somit die Chance, humane pluripotente Stammzellen künftig noch effizienter in insulinproduzierende Betazellen zu differenzieren und somit eine höhere zelluläre Ausbeute und einen höheren Reinheitsgrad zu erzielen, was ein weiterer Meilenstein bei der Entwicklung von Behandlungsoptionen für schwer erkrankte Typ-1-Diabetespatient*innen wäre.“
Wie können Betazellen aus Stammzellen überleben?
Dabei treibt ihn insbesondere die Frage um, wie Betazellen aus pluripotenten Stammzellen im Körper von Patient*innen überleben können, ohne dass das Immunsystem die Zellen in der Bauchspeicheldrüse wieder zerstört. Mit seiner AG forscht Dr. Naujok daher zur Toxizität proinflammatorischer Zytokine auf insulinproduzierende Surrogatzellen, die aus humanen pluripotenten Stammzellen generiert wurden. Reizen würde Dr. Naujok aber auch, über In-vitro-Modelle nachzuweisen, welche spezifischen Signale und Trigger zum Funktionsverlust gealterter Betazellen beitragen und somit die Entstehung eines Typ-2-Diabetes fördern.
Der Preis ist für Dr. Naujok nicht nur eine Anerkennung und Ehrung, sondern vor allem Ansporn, weiter daran zu forschen, wie sich der Geißel Diabetes mit neuen Ansätzen für Behandlung und Prävention entgegentreten lässt.
Petra Spielberg