Insulinresistenz beginnt im Gehirn

Mit SGLT2-Hemmern lässt sich Insulinsensitivität wieder verbessern

BERLIN. Insulin wirkt in vielfältiger Weise auch im Gehirn – allerdings nicht bei allen Menschen gleichermaßen. Eine zentralnervöse  Insulinresistenz fi ndet man vor allem bei Menschen mit Übergewicht.

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Es sind verschiedene Hirnareale, in denen Insulin wirkt, erläuterte Prof. Dr. Martin Heni von der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Ulm. Dazu gehören neben Arealen, die das Essverhalten regulieren, auch Bereiche, die wichtig für Gedächtnisprozesse sind. Ebenfalls mit Insulinrezeptoren ausgestattet ist der Hypothalamus als Zentrum für den gesamten Stoffwechsel des Menschen. „Bei einer gar nicht so kleinen Gruppe von Menschen wirkt Insulin aber gar nicht oder kaum im Gehirn“, erklärte Prof. Heni. Das größte Risiko für solch eine zentrale Insulinresistenz haben Menschen mit Übergewicht; bei schlanken Menschen ist diese Form der Insulinresistenz sehr selten.

Nasenspray zeigt Unterschiede der Insulinwirkung im Gehirn
Beflügelt wurde die Forschung auf diesem Gebiet durch die Verfügbarkeit von Insulin als Nasenspray. Nach Applikation findet man hohe Konzentrationen im Gehirn, ohne dass sich die Insulinspiegel im Blut wesentlich verändern oder der Blutzucker abfällt. Auf diese Weise lassen sich die spezifischen Insulinwirkungen im Gehirn und die dadurch vermittelten peripheren Wirkungen gut untersuchen. 

Untersuchungen beim Menschen konnten zeigen, dass es durch die Insulinwirkung im Gehirn zu einer postprandialen Suppression der endogenen Glukoseproduktion in der Leber und zu einer gesteigerten Glukoseaufnahme in der Peripherie kommt.1 Dies funktioniert beides sehr gut bei Schlanken, bei Übergewichtigen in Verbindung mit Insulinresistenz im Gehirn hingegen klappt das überhaupt nicht. 

Energieüberschuss durch  insulinresistentes Gehirn
Nach Applikation des Insulin-Nasensprays wird bei gesunden schlanken Menschen unter einer Glukosebelastung zudem deutlich mehr Insulin im Pankreas freigesetzt. Durch diesen zweiten Insulinpeak wird zusätzlich die Glukoseproduktion in der Leber gestoppt. Beim insulinresistenten Gehirn fehlen diese Signale. Dadurch entsteht ein Energieüberschuss, der sich vor allem in vermehrtem viszeralem Bauchfett niederschlägt. „Für das subkutane Fett scheint die Insulinwirkung im Gehirn dagegen interessanterweise keine Rolle zu spielen“, berichtete Prof. Heni. 

Was ebenfalls gezeigt werden konnte: Bei Personen mit insulinresistentem Gehirn führt eine Lebensstilintervention – anders als bei Insulinsensitivität im Gehirn – kaum zu einer Abnahme an viszeralem Fett. Die zentrale Insulinresistenz ist somit ein Prädiktor für das Scheitern von Lebensstilinterventionen und für eine ungesunde Körperfettverteilung, sagte Prof. Heni. 

Zur Frage, ob es möglich ist, die Insulinresistenz im Gehirn beim Menschen therapeutisch anzugehen, hat seine Arbeitsgruppe Untersuchungen bei Menschen mit Prädiabetes durchgeführt, die zu einem hohen Anteil eine Insulinresistenz des Gehirns aufwiesen.2 Diese Proband*innen erhielten über acht Wochen Empagliflozin oder Placebo. In diesem Zeitraum nahmen die Teilnehmenden unter dem SGLT2-Hemmer zwar kaum ab – es zeigte sich aber eine deutliche Zunahme der Insulinsensitivität im Bereich des Hypothalamus. Dabei deuteten weitere statistische Analysen darauf hin, dass die verbesserte Insulinsensitivität sich tatsächlich positiv auf die Nüchternglukosewerte und den Leberfettgehalt auswirken. „Die Insulinresistenz im Gehirn scheint somit kein unabänderlicher Zustand zu sein, sondern kann pharmakologisch angegangen werden“, betonte Prof. Heni. Zukünftige Untersuchungen werden zeigen, ob dies auch mit anderen Substanzgruppen möglich ist.

Maria Weiß

  1. Kullmann S et al. Nature 2020; 11: 1841; doi: 10.1038/s41467-020-15686-y
  2. Kullmann S et al. Diabetes Care 2022; 45: 398-401; doi: 10.2337/dc21-1136


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