Hoher Zucker, lockere Zähne: Diabetes und Parodontitis vernetzt behandeln!

„DigIn2Perio“ fördert digitale integrierte Versorgung von Menschen mit Typ-2-Diabetes und Parodontitis

HEIDELBERG.  Das Zahnfleisch geht zurück, die bakterielle Entzündung greift den Kieferknochen an, die Zähne werden locker und fallen aus: Parodontitis, eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats, ist bei Erwachsenen die häufigste Ursache für Zahnausfall. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes tritt sie sogar zwei- bis dreimal häufiger auf. Das neue Projekt „DigIn2Perio“ will diesen Teufelskreis durchbrechen.

buravleva_stock – stock.adobe.com

Parodontitis und ein erhöhter Blutzuckerspiegel bei Diabetes gehen oft ein bedrohliches Wechselspiel ein, dem das Projekt „Digital Integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ 2 und Parodontitis“ kurz „DigIn2Perio“ den Zahn ziehen will. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Stefan Listl, Oberarzt in der Poliklinik für Zahn­erhaltungskunde und Leiter der Sektion Translationale Gesundheitsökonomie am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) setzen die Projektbeteiligten auf digitale Vernetzung der haus- und zahnärztlichen Versorgung. Verbessert werden soll vor allem die Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit in der Regelversorgung der gesetzlichen Kassen. Das Projekt wird für vier Jahre mit rund 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gefördert.

Diabetes und Parodontitis: meist getrennt behandelt
Aktuelle Studien zeigen: Patient*in-nen mit Typ-2-Diabetes (T2DM) erkranken zwei- bis dreimal häufiger an Parodontitis als die Allgemeinbevölkerung. Die gefährliche Entzündung des Zahnhalteapparats bleibt dennoch häufig unentdeckt. Besonders fatal ist, dass eine dauerhafte Erhöhung des Blutzuckerspiegels nicht nur das Parodontitis-Risiko steigert, sondern gleichzeitig auch ein schnelleres Fortschreiten einer Parodontitis fördert und umgekehrt – durch die anhaltenden Entzündungen bei Parodontitis werden Botenstoffe in den Körper freigesetzt, die sich negativ auf den Blutzucker auswirken und das Risiko für diabetische Komplikationen erhöhen können. Obwohl diese Wechselwirkungen längst bekannt sind, laufen Erkennung und Behandlung von Diabetes und Parodontitis in Deutschland meist getrennt voneinander ab. 

Das Projekt DigIn2Perio versucht, diese Versorgungslücke zu schließen – mit einer neuen Versorgungsform an der Schnittstelle zwischen Human- und Zahnmedizin. In einem digital unterstützten Screening prüfen derzeit Hausärzt*innen, ob bei Betroffenen mit Typ-2-Diabetes Verdacht auf Parodontitis besteht, während Zahnärzt*innen ihre Pa­rodontitis-Patient*innen auf ein erhöhtes Diabetes-Risiko testen. Wird ein Fall erkannt, bei dem beides zutrifft, folgt ein beratendes Arztgespräch und eine Überweisung zur Parodontitis- bzw. Diabetes-Versorgung wird veranlasst. Das Ergebnis des Screenings wird dann in der elektronischen Patientenakte vermerkt, um den Datenaustausch zu vereinfachen.

Ob sich dieses Vorgehen zur systematischen Früherkennung eignet und inwieweit sich die Erkrankungslast bei T2DM bzw. Parodontitis bessert, untersuchen die Projektbeteiligten in zwei parallelen Studien im Hausarzt- und Zahnarztsetting, in die rund 400 Praxen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen eingebunden sind. „Bei erhöhtem Risiko können eine elektronische Überweisung zur Mitbehandlung an die jeweilige Fachrichtung veranlasst sowie relevante Daten zu Behandlung und Therapie weitergeleitet werden“, erklärt Prof. Stefan Listl. „Für Patientinnen und Patienten kann dadurch eine zeitnahe Behandlung der jeweiligen Begleiterkrankung eingeleitet werden“.
In der „Heidelberger Studie“ wird zum einen geprüft, ob die neue Versorgungsform zur systematischen Früherkennung beider Erkrankungen sinnvoll ist, zum anderen, inwieweit sie sich von der derzeitigen Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen unterscheidet. Dabei werden Faktoren wie Krankheitslast, Lebensqualität, Inanspruchnahme sowie zahn- und hausärztliche Vergütung beurteilt. 

Das Ziel: Digital integrierter Ansatz wird zur Regelversorgung
„Im Erfolgsfall könnte die digital integrierte Versorgung von Diabetes mellitus Typ 2 und Parodontitis in die Regelversorgung überführt werden“, ergänzt der Projektleiter. „Dadurch würde sie zu einer medizinischen Versorgung, die allen gesetzlich Versicherten zusteht.“

Konsortialpartner des Projekts sind das aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, die Universitätsklinika Bonn und Düsseldorf sowie die Techniker Krankenkasse. Als Kooperationspartner für digitale Anwendungen ist die Phellow Seven GmbH am Projekt beteiligt.

Angela Monecke