Gesundheitsfachkräfte an die Schulen holen!

Pädiatrische Initiative fordert bundesweite Maßnahmen zur Inklusion

Berlin. Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen wie Typ-1-Diabetes im Alltag muss besser organisiert werden. Gesundheits- und Kultuspolitiker in Bund und Ländern sollen sich deshalb dafür einsetzen, flächendeckend Gesundheitsfachkräfte an Schulen zu etablieren. Das fordern mehrere Diabetes- und Jugendmedizinverbände in einer gemeinsamen Stellungnahme.

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Jedes Jahr erkranken rund 3500 Kinder und Jugendliche neu an einem Typ-1-Diabetes – immer mehr bereits im Vorschulalter. Viele von ihnen können die komplexen Zusammenhänge, die mit ihrer Erkrankung einhergehen, nicht allein meistern. Gut ausgebildete Schulgesundheits-fachkräfte könnten betroffene Familien im Alltag unterstützen und Lehrkräfte aktiv entlasten“, erläutert DDG Präsident und Kinderdiabetologe Professor Dr. Andreas Neu,Universität Tübingen, die Forderungen im Positionspapier der Verbände. Ziel müsse es sein, Kinder im Selbstmanagement ihrer Erkrankung zu stärken und somit auch mehr Akzeptanz und Verständnis für deren Bedürfnisse herzustellen.

„Viele Familien berichten von Ausgrenzung oder Unverständnis, wenn die Kinder im Unterricht plötzlich Blutzucker messen müssen oder sich Insulin verabreichen. Schulgesundheitsfachkräfte könnten auch dazu beitragen, über chronische Erkrankungen aufzuklären und somit die Toleranz für kranke Klassenkameraden in der Schulgemeinschaft fördern“, ergänzt PD Dr. Thomas­ Kapellen­, Sprecher der AG Pädiatrische Diabetologie.

Modellprojekte in einzelnen Ländern
Die Mediziner verweisen da­rauf, dass mittlerweile in Schleswig-Holstein – inspiriert durch den dänischen Schulgesundheitsdienst – Schulgesundheitsfachkräfte zum Einsatz kommen. In Bremen startete 2018 ein Modellprojekt, das wegen seines Erfolges jüngst verlängert wurde und zur Ausschreibung von sechs Fachkraftstellen im März 2021 führte. In Hamburg wurde 2020/2021 ein Modellprojekt „Schulgesundheitsfachkräfte“ in Kooperation mit den Ersatzkassen für fünf Jahre auf den Weg gebracht.

Ein Gutachten über ein Modellprojekt in Brandenburg und Hessen kommt zu dem Schluss, dass die Einrichtung von Gesundheitsfachkräften an Schulen machbar und ökonomisch sinnvoll ist. Das Gutachten zeigt Möglichkeiten für eine bundesweite Umsetzung auf und empfiehlt als Orientierungsrahmen einen Schlüssel von 1:700. Unterschrieben ist das Positionspapier „Schulgesundheitsfachkräfte“ von Vorständen der DDG, der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie der DDG, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, des Berufsverbandes Kinderkrankenpflege und diabetesDE – Deutsche Dia­betes-Hilfe.

Adressaten sind die Ständige ­Kultusministerkonferenz, die Bildungs-, Kultus- und Gesundheitsministerien der Bundesländer sowie das Bundesgesundheits- und das Bundesbildungsministerium.

Die sechs Organisationen schlagen vor, in einem ersten Schritt Gesundheitsfachkräfte „an allen öffentlichen und privaten Grundschulen zu einer verbindlichen Ausstattung zu machen“. Denn dort gebe es durchaus Versorgungsprobleme.

Zwar könnten Erziehungsberechtigte Lehrerinnen und Lehrer mit der Personensorge für ihre Kinder beauftragen. Dann dürften die Pädagogen auch unter Versicherungsschutz Medikamente wie Insulin verabreichen. Allerdings treffe die Entscheidung hierüber der Dienstherr. „Somit entsteht oft eine Versorgungslücke, insbesondere dann, wenn eine notwendige Insulingabe zum Essen während der Schulzeit nicht sicher gewährleistet ist. Daher müssen dies häufig die Eltern in der Schule übernehmen“, wird im Positionspapier erklärt. Deren Einsatz zu bestimmten Zeiten störe jedoch in der Regel den schulischen Alltag und sei für die Eltern auch eine enorme Belastung.

Das spricht für Schulgesundheitsfachkräfte als primäre Ansprechpartner für Kinder, Eltern und Lehrkräfte. Neben ihrer Grundausbildung müssen diese Fachkräfte vom jeweils betreuenden Diabetesteam in die individuellen Erfordernisse eines betroffenen Kindes eingewiesen werden. Vorrangige Aufgabe der Schulgesundheitsfachkräfte ist die konkrete Hilfestellung im Umgang mit Diabetes und anderen Erkrankungen im Schulalltag.

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Positionspapier: bit.ly/DDG_Schule