„Diabetologie gehört in diabetologische Hand“
MANNHEIM. „360° Diabetes: Leinen los, gemeinsam zu neuen Ufern", so das Motto der diesjährigen DDG Herbsttagung mit Mannheim als Austragungsort. Die Segel setzte die DDG auch bei ihrem Strategietag. Die Ausrichtung für 2026: mehr Prävention und mehr Sichtbarkeit der Diabetologie, vor allem durch (mehr) zertifizierte Zentren.
Den Strategietag einen Tag vor der Herbsttagung eröffneten schon fast traditionell die beiden Moderatoren Professor Dr. Ralf Lobmann, Sprecher der DDG Regionalgesellschaften, und Dr. Ralph Ziegler, Sprecher der DDG Gremien.
Der Erfolg der Fachgesellschaft zeige sich vor allem in der Themenbreite ihrer zahlreichen Gremien, betonten die beiden: 21 Arbeitsgemeinschaften, 6 Ausschüsse, 9 Kommissionen und 15 Regionalgesellschaften sorgten dafür, dass die Deutsche Diabetes Gesellschaft in allen relevanten diabetologischen Bereichen auch politisch immer am Ball bleibe.
Prävention im Fokus der Zusammenarbeit
Die Umsetzung des Tagungsmottos, sich gemeinsam zu neuen Ufern aufzumachen, zeigte sich auch in der themenübergreifenden Pressearbeit der Fachgesellschaft zusammen mit diabetesDE, DGE, BVND, VDBD, Fußnetz Bayern, DAG, BVKJ, DGKJ und DANK. Im Fokus stand dabei auch, das Thema Prävention politisch sichtbarer zu machen, was durch die intensivere Zusammenarbeit zwischen DDG und diabetesDE (Kampagne #SagEsLaut) sowie der DANK-Allianz gut gelang, etwa bei Veranstaltungen wie parlamentarischen Abenden oder der Herausgabe eines Positionspapiers zur T1D-Prävention. Ihre Positionen machte die DDG auch in über 30 interdisziplinären Stellungnahmen, Pressemitteilungen und Kommentierungen deutlich, z. B. zur elektronischen bzw. Diabetes-Patientenakte, zum KHVVG oder zur Relevanz des Prädiabetes im DMP KHK.
DDG-Präsidentin Professorin Dr. Julia Szendrödi blickte zunächst auf die Erfolge bei den Fort- und Weiterbildungen 2025, die vor allem durch neue Hybridformate möglich wurden. So qualifizierte die DDG in diesem Jahr bereits u. a. 119 Diabetologinnen DDG, 158 Adiposiologinnen DAG-DDG, 34 Diabetescoaches und 344 Diabetesberater*innen DDG.
Wer wurde geehrt?
|
DDG als führende Stimme der metabolischen Medizin
„Die Diabetologie gehört in diabetologische Hand", betonte sie. Der Stoffwechsel sei Querschnittsthema vieler Erkrankungen - vom Herz über die Niere bis zur Leber. Andere Fachdisziplinen besetzten zunehmend Themen wie Glukosemonitoring, Adipositas, MASLD oder Stoffwechselchirurgie. „Die DDG behauptet sich als koordinierende und führende Stimme der metabolischen Medizin!"
In Sachen Sichtbarkeit der Diabetologie, vor allem auf politischer Ebene, ging hierzu ein großes Lob an die DDG Geschäftsstelle und ihren „unermüdlichen Einsatz", so die Moderatoren.
Prof. Szendrödi gab auch ein Update zur Krankenhausreform. In allen Kliniken, in denen man regelmäßig Menschen mit Diabetes behandele, müsse eine diabetologische Struktur vorhanden sein - auch wenn nicht jedes Haus eine eigene Fachabteilung Endokrinologie/Diabetologie führe, sagte sie. Dort müssten u. a. Ärztinnen mit diabetologischer Zusatzqualifikation, Pflegekräfte mit diabetologischer Weiterbildung sowie Diabetesberaterinnen, Diabetesassistent*innen oder Diabetescoaches DDG (gemäß den Qualifikationen der DDG Akademie) in das multiprofessionelle Team eingebunden sein.
Mit Blick auf das GVSG berichtete Dr. Tobias Wiesner von einem Meilenstein hinsichtlich der hausärztlichen Vorhaltepauschale, denn es seien Ausnahmeregelungen für diabetologische Schwerpunktpraxen beschlossen worden. Zur Neuregelung der Chronikerpauschale gebe es bislang jedoch keine Einigung. Die genauen Kriterien und die gestufte Bewertung nach Krankheitsbild werden noch durch den Bewertungsausschuss (KBV und GKV-Spitzenverband) festgelegt.
Zertifizierte Zentren als Leuchttürme guter Versorgung
Versorgungsqualität sichern und sichtbar machen, dies sei auch 2026 die Zielrichtung der DDG. Dabei will die Fachgesellschaft vor allem die zertifizierten Zentren stärker als „Leuchttürme guter Versorgung" positionieren, sowohl bundesweit als auch international, erklärte Professor Dr. Dirk Müller-Wieland vom Ausschuss Qualitätssicherung, Schulung & Weiterbildung.
Für Diskussionen sorgte Anne-Katrin Döbler mit ihrem Impulsvortrag zum Thema „Chancen und Gefahren durch Medfluencing, Fake-Anzeigen und eigene Social-Media-Accounts". Vor dubiosen Online-Angeboten beim Diabetes durch irreführende Gesundheitsversprechen, gefälschte Logos und falsche Testimonials hatten DDG, diabetesDE, BVND und VDBD unlängst gemeinsam gewarnt. Medizinthemen würden heute viral gehen, z. B. zu Abnehmspritzen, Intervallfasten oder CGM-Trends auf TikTok. Theoretisch würde jede Ärztin bzw. jeder Arzt zur/zum Influencer*in. Hier sieht sie Chancen für Fachgesellschaften wie die DDG. Als deren zentrale Ziele im digitalen Raum nannte sie vor allem Mitgliederkommunikation und -aktivierung, reichweitenstarke Platzierung gesundheitspolitischer Positionen oder auch die Bewerbung von Veranstaltungen und Kongressen. Social Media dürfe aber kein Zufallsprodukt sein, sondern benötige langfristig strategische Planung und Steuerung. „Sichtbarkeit entsteht durch Interaktion, Austausch und Emotionen", betonte sie. Der Aufwand für einen erfolgreichen Kanal liege bei 15 bis 20 Stunden pro Woche. Schnelligkeit dürfe allerdings nie auf Kosten der wissenschaftlichen Sorgfalt gehen.
Komplexcodes schon heute verstärkt codieren
Die neuen Komplexziffern, also spezielle Abrechnungscodes für Diabetes mellitus allgemein, für Insulinpumpentherapie und diabetischen Fuß, stellte Anette Ahollinger von der Kommission Kodierung & DRGs in der Diabetologie vor. Die Beantragung der Zuordnung in Leistungsgruppe LG2 (komplexe diabetologische Behandlung) statt nur in LG1 (Grundversorgung, z. B. Innere Medizin) sei erfolgt, um zu verhindern, dass die Diabetologie im großen Bereich der Inneren Medizin aufgehe, erklärte sie. Die Bedeutung des Komplexcodes DM für die Leistungsgruppen müsse sich auch in der CCL-Relevanz widerspiegeln - und damit im Erlös. Komplexe Diabetestherapien wie eine aufwendige Insulinpumpeneinstellung dürften demnach nicht nur auf dem Papier als komplex gelten, sondern müssten auch finanziell honoriert werden.
Sie appellierte daher an die Kolleg*innen - trotz (noch) fehlender Erlösrelevanz -, Komplexcodes verstärkt zu nutzen und sich zu bemühen, die Struktur- und Mindestmerkmale zu erfüllen. Denn durch die Datenlieferungen seien die Krankenhäuser gläsern. "Nutzen wir also die Daten für uns als Aufwands- und Kostennachweis", motivierte sie die Anwesenden. Zudem stellte Annette Ahollinger die Sinnhaftigkeit des Alterssplits bei der Diabetesbehandlung und das Ambulantisierungspotenzial der leichten Fälle ohne Komplexcode heraus.
Abschließend zeigte sie sich verärgert vom Ergebnis des Schlichtungsausschusses zu Hypoglykämien als Komplikation. Den Schlichtungsantrag gestellt hatte das Städtische Klinikum Dresden. Der Ausschuss kam Anfang November jedoch zu dem Ergebnis, dass Hypos keinen Aufwand bzw. Ressourcenverbrauch verursachten, außer bei einem diabetischen Koma.
Angela Monecke