»Mich wird es schon nicht treffen ...«
Wiesbaden. Häufig gibt es Diskrepanzen zwischen der subjektiv wahrgenommenen Diabetesgefährdung und dem tatsächlichen Risiko. Woran das liegt und welche Konsequenzen sich für die Prävention daraus ergeben, wurde mithilfe eines Telefon-Surveys erforscht.
Wenn es um die Einschätzung des eigenen Diabetesrisikos geht, liegen offenbar viele Menschen falsch. „Leider ist es so, dass Personen, die ein erhöhtes Risiko für einen Typ-2-Diabetes haben, dieses oft sehr niedrig einschätzen“, erklärte Professor Dr. Wolfgang Rathmann vom Deutschen Diabetes-Zentrum in Düsseldorf. Um Strategien für eine effektive Risikokommunikation zu entwickeln, sei es daher wichtig, ebenjene Faktoren zu erkennen, die diese Diskrepanz erklären könnten. Ziel einer Studie aus dem Jahr 2019 war es daher, das subjektiv wahrgenommene mit dem tatsächlichen Diabetesrisiko zu vergleichen. Außerdem erfolgten Analysen, welche Faktoren zu dieser verzerrten Wahrnehmung der individuellen Gefährdung beitragen können.
Am GDRS die tatsächliche Gefährdung erkennen
Für die Untersuchung wurden im Rahmen eines Telefon-Surveys 2327 Personen befragt und deren Daten dokumentiert. Die Altersspanne im untersuchten Kollektiv erstreckte sich zwischen 18 Jahre und 97 Jahre.
Zunächst ging es um die Einschätzung des eigenen Diabetesrisikos. Diese subjektiv wahrgenommene Gefährdung sollte einer von vier Kategorien zugeordnet werden: hoch, moderat, leicht oder nicht vorhanden. Die Ermittlung der tatsächlichen Erkrankungswahrscheinlichkeit wiederum erfolgte anhand des Deutschen-Diabetes-Risiko-Scores (GDRS). Dieser berücksichtigt Alter, Taillenumfang, Körpergröße, körperliche Aktivität, Rauchen, Bluthochdruck in der Vorgeschichte, Diabetes in der Familie, Verzehr von rotem Fleisch und Vollkornprodukten sowie Kaffeekonsum.
Auch Menschen mit hohem Risiko unterschätzen die Gefahr
Das tatsächliche Risiko, binnen der nächsten fünf Jahre die Diagnose Diabetes zu bekommen, wurde bei rund 14 % der Teilnehmer gemäß GDRS als hoch eingestuft. In dieser Hochrisikogruppe schätzten allerdings nur 2,6 % die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit als hoch ein, während rund ein Drittel subjektiv keine persönliche Gefährdung sah. Als einer der größten Einflussfaktoren stellte sich dabei die Familienanamnese heraus: Befragte mit einem hohen oder erhöhten objektiven Diabetesrisiko schätzten dieses auch subjektiv als stärker ein, wenn die Stoffwechselerkrankung in ihrer Familie bereits aufgetreten war.
Hatten die Teilnehmer früher bereits einen ärztlichen Hinweis auf ein erhöhtes Diabetesrisiko erhalten, neigten sie dazu, die eigene Gefährdung als höher einzuschätzen. Ebenso erwies sich ein niedrigeres Alter als bedeutender Einfluss. „Möglicherweise glauben ältere Menschen, wenn sie ein hohes Risiko hätten, wäre die Erkrankung längst bei ihnen aufgetreten“, vermutete Prof. Rathmann.
Zu seinem Bedauern verbanden die meisten Befragten potenziell veränderbare Risikofaktoren für einen Diabetes – z.B. Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und einen hohen BMI – nicht mit einem höheren Erkrankungsrisiko. Dies sei bedeutsam, weil Untersuchungen zum Gesundheitsverhalten zeigten, dass ein erhöhtes wahrgenommenes Risiko für eine Krankheit eine wichtige Voraussetzung für präventives Handeln darstellt.
Dr. Elisabeth Nolde
Diabetes Update 2021