Ab 50 Jahre zur Knochendichtemessung

Deutlich erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes

Berlin. Die genauen Zusammenhänge zwischen Zucker- und Knochenstoffwechsel sind zwar noch nicht bekannt. Doch man weiß, dass ein Diabetes häufig mit einer geringeren Knochendichte bzw. schlechteren Knochenqualität einhergeht. Damit steigt die Gefahr von Knochenbrüchen auch schon in jüngeren Jahren.

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Etwa sechs Millionen Menschen in Deutschland leiden an Osteoporose. Mit 80 % der Betroffenen sind Frauen zwar in der Mehrzahl, berichtete Dr. Felix­ Flohr­ von den St.-Vincentius-Kliniken Karlsruhe. Doch auch Männer können die Stoffwechselerkrankung entwickeln. Das Thema sollte auch die diabetologisch tätige Ärzteschaft interessieren, denn das Frakturrisiko liegt bei Diabetes etwa doppelt so hoch.

Gefährdet sind insbesondere Menschen mit Typ-1-Diabetes. Sie haben ein gut dreimal höheres Frakturrisiko. „Im Schnitt kommt es bei ihnen 10–15 Jahre früher zu einer Hüftfraktur“, betonte der Referent. Aber auch bei Typ-2-Diabetes ist die Gefahr gegenüber Personen ohne Diabetes um ein Fünftel erhöht. Zu den negativen Einflussfaktoren zählen eine Diabetesdauer ab fünf Jahre und ein hoher HbA1c-Wert. Daneben spielt das erhöhte Sturzrisiko infolge von Hypoglykämien, Sehbeeinträchtigungen (diabetische Retinopathie) und Gangunsicherheit (Neuropathie) eine Rolle.

Höhere Knochendichte schützt nicht vor einem Bruch
Der Zusammenhang zwischen Glukosemetabolismus und Knochenstoffwechsel ist noch nicht vollständig geklärt. Man weiß aber, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes oft eine geringere Knochendichte aufweisen. „Möglicherweise führt eine frühe Manifestation dazu, dass sich der Maximalwert der Knochenmineraldichte, die sogenannte peak bone mass, nicht immer normal ausbilden kann“, erklärte Dr. Flohr. Menschen mit Typ-2-Diabetes weisen zwar aufgrund ihres Übergewichts oft eine höhere Knochendichte auf. Diese schützt aber nicht vor Brüchen, weil die Knochenqualität reduziert ist. Daher ist die Knochendichtemessung bei Typ-2-Diabetes häufig irreführend.

Die heute gängigen Diabetesmedikamente scheinen das Osteoporose- und Frakturrisiko nicht zu beeinflussen. Lediglich die Behandlung mit Glitazonen kann die Zahl der Osteoblasten reduzieren, wodurch die Knochendichte beeinträchtigt und das Frakturrisiko erhöht wird. Allerdings werden Glitazone heute kaum mehr eingesetzt. Die übrigen Antidiabetika scheinen keine Gefahr für die Kochen darzustellen, wenn man einmal davon absieht, dass Sulfonylharnstoffe und Insuline zu Hypoglykämien führen und auf diese Weise das Sturzrisiko erhöhen können.

In der Therapie auf die bewährten Medikamente setzen
In der aktuellen Osteoporoseleitlinie des Dachverbandes Osteologie wird geraten, bei Personen mit Risikofaktoren wie Diabetes eine Basisdia­gnostik inkl. Knochendichtemessung bereits ab 50 Jahre durchzuführen. Weil bei Typ-2-Diabetes deren Interpretation problematisch sein kann, empfahl Dr. Flohr, zusätzlich den trabekulären Knochenwert zu ermitteln. Dieser erlaubt eine Einschätzung der Knochenstruktur.

Für die Osteoporosetherapie von Diabetespatienten eignen sich die bewährten Substanzklassen. „Bei Typ-1-Diabetes sollte man schon bei nur gering erniedrigter Knochendichte eine spezifische Behandlung beginnen“, so die Referentin. Meist kommen Bisphosphonate (oral bzw. als einmal jährliche Infusion) oder Denosumab (subkutan alle sechs Monate) zum Einsatz, bei Therapieversagen Teriparatid.

Dr. Andrea Wülker

Diabetes Herbsttagung 2020