COVID-19 als Diabetestreiber bei Kindern?

DDG kritisiert methodische Mängel der kontroversen US-Registerstudie

Berlin. Kinder und Jugend­liche tragen nach einer durchstandenen Infektion mit SARS-CoV-2 ein möglicherweise erhöhtes Diabetesrisiko, so die jüngsten Studienergebnisse der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. An den Zahlen gibt es jedoch deutliche Kritik – nicht zuletzt, weil wichtige methodisch Fragen offenbleiben, sagt die DDG.

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In Jahr drei der COVID-19-Pandemie haben Forschende bereits einige RFaktoren erfasst, die das Risiko für schwere Krankheitsverläufe erhöhen. Adipositas und Diabetes mellitus gehören dazu. Und auch umgekehrt erhärten sich die Beobachtungen, dass SARS-CoV-2 nicht so laut- und spurlos wieder aus dem Körper verschwindet, wie es gekommen ist.

Als die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Center for Disease Control and Prevention) kürzlich Zahlen publizierte, wonach Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nach einer Coronainfektion signifikant häufiger an einem Diabetes erkranken als Gleichaltrige ohne nachgewiesene Infektion, schrillten im öffentlichen Diskurs sowie bei einigen Fachleuten die Alarmglocken.1 Sätze wie „Löst COVID­-19 Diabetes aus?“ fluteten das Internet, zierten Zeitschriftenartikel und selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ließ sich zu einem Tweet hinreißen, in welchem er auf die US-Studie verwies.

Erfahrungsgemäß lohnt jedoch besonders bei laut diskutierten Themen ein Blick in die Details. In so sensiblen wie Diabetes, COVID-19 und Kindergesundheit ist er sogar zwingend notwendig. Entsprechend kritisch schaute sich die DDG die Publikation an und fand einige Ungereimtheiten. DDG Präsident Prof. Dr. Andreas­ Neu, Universitätsklinikum Tü­bingen, sprach dazu sogar bereits mit dem Spiegel und verwies auf die teils gravierenden methodischen Mängel. Für die Studie hatte die US-Behörde Daten von mehr als 500.000 versicherten Kindern und Jugendlichen aus zwei unterschiedlichen Gesundheitsdatenbanken herangezogen.

Für belastbare Aussagen fehlen weitere Daten
So kam sie einmal zu dem Ergebnis, dass das Diabetesrisiko bei Erkrankten (aus Datenbank 1) um 166 % erhöht sei und bei Personen aus Datenbank 2 „lediglich“ um 31 %. Diese fast schon absurde Spanne liefert laut Prof. Neu „kein eindeutiges Studienergebnis. Darüber hinaus gibt es weitere methodische Mängel, die die Validität der Untersuchung infrage stellen.“

Auch wenn eine halbe Million Daten sicher beachtlich sind, seien die absoluten Fallzahlen in der Studie zu gering, um sich ein Gesamtbild der Situation zu machen. „Dass 8 von 10.000 Kindern nach einer SARS-CoV-2-Infektion und 3 von 10.000 Kindern ohne vorherige Infektion einen Diabetes bekommen, ist kein großer Unterschied“, sagt DDG Mediensprecher Prof. Dr. ­Baptist ­Gallwitz, Universitätsklinikum Tübingen.

Als fahrlässig beurteilt Prof. Neu zudem die fehlende Differenzierung der US-Kolleg*innen zwischen verschiedenen Diabetestypen, was für eine zuverlässige Risikoeinschätzung jedoch unabdingbar sei. „Ohne diese Trennung ist eine Gesamteinschätzung kaum möglich: Wie viele der Kinder entwickeln einen Typ-1-, wie viele einen Typ-2-Diabetes?“

Während es grundsätzlich denkbar sei, dass SARS-CoV-2 einen Diabetes Typ 1 auslösen könnte – wenn auch nicht innerhalb von 30 Tagen, wie die Studie suggeriert, und nur dann, wenn die Betroffenen eine genetische Prädisposition für die Stoffwechselerkrankung besitzen, die durch Viren und Infekte getriggert wird –, müsse man besonders beim Typ-2-Diabetes in den USA genau hinschauen.

Kein Grund, daraus Handlungskonsequenzen abzuleiten
Unter anderem aufgrund anderer Ernährungsgewohnheiten spielt dieser bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren eine wesentlich größere Rolle als in Europa.
Allerdings fehlen Prof. ­­Gallwitz für eine belastbare Aussage weitere Parameter, die in die Analysen hätten einbezogen werden müssen. Zum Beispiel vernachlässigten die Autor*innen ethnische Zugehörigkeit, das Körpergewicht und einen möglicherweise bestehenden Prä­diabetes. „Das sind wesentliche Risikofaktoren, die bei einer Erhebung nicht fehlen dürfen“, sagt Prof. Gallwitz. Summa summarum sei diese Datenlage aus Sicht der DDG also kein Grund, Handlungskonsequenzen daraus abzuleiten oder sich über die derzeitige Situation hinaus Sorgen zu machen.

Maria Fett

1. Barrett CE et al. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2022; 71: 59-65; doi: 10.15585/mmwr.mm7102e2

Pressemitteilung der DDG